AVC Geschichte Report 1|22
25. Januar 2022

Blick zurück in Ehrfurcht

AVC GESCHICHTE
Sie waren Männer der ersten Stunde, brachten den Stein ins Rollen. Heute können sie auf eine Entwicklung zurückblicken, deren Ausmaß sie nie erwartet hätten. Wir sprachen mit Gerhard Heinzmann, Hans Ollesch und Waldemar Sardaczuk.

Weshalb kam es am 21. Februar 1972 zu einer Demonstration?
Gerhard Zusammen mit Hilfsgütern brachten wir nach der Flut von 1970 in Rumänien auch heiß begehrte Bibeln und christliche Literatur ins Land. Nicht nur in Rumänisch, sondern auch in Russisch, Bulgarisch, Ukrainisch und anderen Sprachen, zum Weitertransport in die entsprechenden Länder. Im Februar 1971 war ich in Rumänien, angeblich zum Skifahren. Tatsächlich aber besuchte ich Untergrundkirchen. Von den Brüdern erhielt ich schriftliche Informationen über die Lage der Christen. Als ich zurückfliegen wollte, wäre ich um ein
Haar verhaftet worden, weil man diese Dokumente bei mir fand. Einige Tage später gab es bei den Verfassern Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Die Drohung stand im Raum, dass sie mindestens zehn Jahren Haft wegen Spionage für den Westen erhalten würden. Ich
habe viel gebetet und empfand den klaren Impuls, eine Demonstration für diese Pastoren zu organisieren.

 

Was habt ihr bei den Vorbereitungen der Demonstration erwartet oder befürchtet?

Waldemar Wir hofften, dass viele Christen Anteil nehmen würden am Schicksal der Brüder und Schwestern in Rumänien. Gleichzeitig befürchteten wir, dass sich nur wenige freimachen würden. Der Schweigemarsch und Bittgottesdienst war an einem Montag, einem Arbeitstag, und dazu noch im Winter. Wir waren halt Pastoren und keine Demo-Profis. Letztlich kamen aber doch etwa 300 Teilnehmer. Und dank der Transparente wurden viele
Passanten auf die Verfolgung aufmerksam.

 

Wann habt ihr von der Freilassung der rumänischen Pastoren erfahren?
Hans Einige Tage nach der Veranstaltung in Köln hörten wir die Nachricht. Ehrlich gesagt war ich schon ein wenig überrascht, aber sehr, sehr froh. Und wir erfuhren auch, was uns zuvor nicht bekannt gewesen war: Am Tag unserer Demonstration war der damalige rumänische stellvertretende Außenminister zu Besuch in Deutschland und an demselben Tag fand ›zufällig‹ auch die Gerichtsverhandlung gegen unsere Brüder in Rumänien statt. Die Nachricht von unserer Demonstration muss durchgesickert sein. Denn der Staatsanwalt beschimpfte unsere Brüder und machte ihnen den Vorwurf, sie hätten Schande über ihr Land gebracht, weil ihretwegen in Deutschland gegen Rumänien demonstriert würde. Die offizielle Lesart war: In Rumänien gibt es keine Christenverfolgung. Die Brüder wurden umgehend auf Bewährung freigelassen, damit niemand sagen konnte, rumänische Christen seien im Gefängnis.

 

 

 

Wieso habt ihr nach der Demo die Arbeit nichteingestellt? Euer Ziel hattet ihr ja erreicht.
Gerhard Die Menschen hinter dem Eiserenen Vorhang hatten nach wie vor Sehnsucht nach Bibeln. Wir konnten nicht einfach aufhören.

Hans Der Name AVC entstand zwar im Zusammenhang mit der Demonstration. Aber schon seit November 1970 haben wir den Christen in Rumänien mit Hilfsgütern, Bibeln und christlicher Literatur geholfen. Wir hatten auch bereits Kontakte in die Sowjetunion und wussten, dass dort viele Christen in Gefängnissen und Lagern waren und ein großer Mangel an Bibeln herrschte. So machten wir einfach weiter. Arbeit gab es leider mehr als genug.

Welches war euer gefährlichster Einsatz mit AVC?
Waldemar
Gefahren gab es immer wieder. Doch besonders lebhaft ist mir noch ein Flug in Erinnerung. Von Mosambik aus starteten wir in einem Kleinflugzeug nach Johannesburg. Ein Gewittersturm warf uns regelrecht aus der Bahn. Wir verloren total die Orientierung. Nur die Anzeige für den Treibstofftank behielt konstant ihre Richtung bei – immer weiter gegen Null. In so einer Situation lernst du, zu beten. Irgendwie tauchten wir auf dem Radar des Towers in Johannesburg auf, wurden zum Flughafen gelotst und landeten mit dem allerletzten Tropfen Kerosin. Als der Pilot das Flugzeug in den Hangar fahren wollte, blieb es stehen. Der letzte Tropfen war verbraucht.

Hans 1974 bei einer Reise in die Sowjetunion wurden wir an der Grenze aufgehalten, und das übliche Prozedere begann. Die Grenzbeamten durchsuchten unseren VW-Bus aufs Gründlichste, zerlegten die Möbel und zogen selbst den Reservereifen ab. Schließlich wurde ihre Mühe belohnt: Sie fanden die Bibeln und christliche Literatur. Sofort wurden wir festgenommen und immer wieder verhört. Um den Druck zu erhöhen, brachte man uns auf die Polizeistation der nächstgelegenen Kreisstadt zu weiteren Befragungen. Vorher hatte man uns gesagt, wir sollten uns schon mal von unseren Frauen verabschieden, die an der Grenze zurückgeblieben waren. Die KGB-Leute drohten uns mit fünf Jahren Haft. Und wir wussten: Das war keine leere Drohung. Doch allem Druck und Drohungen zum Trotz blieben wir ruhig, was die verhörenden Beamten erst nervös und dann regelrecht wütend machte. Nach sechs Tagen größter Anspannung und Ungewissheit wurden unser Bus und die Literatur beschlagnahmt und wir in einen Zug nach Polen gesetzt. Diese Ausweisung glich mehr einem Rausschmiss. Zusätzlich erhielten wir ein lebenslanges Einreiseverbot. Noch nie waren wir so froh, wieder zu Hause zu sein.

Was beeindruckt, erstaunt, begeistert euch am meisten, wenn ihr auf 50 Jahre AVC zurückblickt?
Gerhard
Dass Gott uns immer wieder in den unmöglichsten und gefährlichsten Situationen durchgetragen hat. Wir haben Gottes Schutz erlebt.

Hans Die Tatsache, dass aus den kleinen Anfängen eine weltweite Arbeit geworden ist, erstaunt mich immer noch. Und die großen Veränderungen, die der Herr in Ländern und dem Leben von ungezählten Menschen gebracht hat, begeistern mich.

 

 

 

Waldemar Wirksame Lebensveränderung durch das Bekanntmachen von Jesus Christus. Die ersten 50 Jahre waren aber hoffentlich nur der Anfang. Wir haben mit nichts angefangen; hatten weder ein Büro noch Mitarbeiter noch Geld. Die heutigen Möglichkeiten von AVC sind viel größer und so auch die Verpflichtung, wachsend unserer Berufung zu folgen.

Herzlichen Dank für das Gespräch und euren wunderbaren Dienst. Wir wünschen euch Gottes Segen.

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