Das Feuer brennt
Wir fliegen nach Bejing. Bei der Einreise werden uns kaum Fragen gestellt. Wir geben Fingerabrücke, lassen das Gesicht scannen und den Pass abstempeln. Beim anschließenden Inlandflug müssen die Passagiere plötzlich alle Fensterstoren schließen. Für den Rest des Flugs ist Hinausschauen verboten, weil wir über Militärgebiet fliegen und auf einem Militärflugplatz landen. Dann fahren wir mit dem Auto los. Im Stadtverkehr gibt es überall Kameras. An jeder größeren Kreuzung werden alle Fahrzeuge geblitzt, die Personen darin fotografiert und in Echtzeit erkannt. Im Hotel fotografiert die Rezeptionistin unsere Pässe und unsere Gesichter. In der Lobby, in den Gängen und im Treppenhaus beobachten Kameras mit Gesichtskennungsfunktion jeden Winkel. Beim Spazieren im Stadtzentrum zähle ich auf 100 Metern mehr als zehn Kameras: auf dem Fußweg, bei Eingängen von Läden und Touristenattraktionen, im Park und sogar im Touristenbus. Ein neues Gesetz erlaubt der Polizei, auf Mobiltelefone und Laptops von Touristen zuzugreifen und in China als illegal klassifizierte Apps und Programme zu deinstallieren – VPN, WhatsApp, Facebook oder YouTube. An einer zentralen Stelle werden sämtliche Fotos und Videos gesammelt und Profile erstellt. Willkommen in China.
Gefahren auf Schritt und Tritt
Die fast schon totale Überwachung in China richtet sich gegen jeden Bürger und jede Bürgerin. Besonders davon betroffen sind Christen, wenn auch nicht in allen Gebieten gleich stark. Unsere Freunde in den Großstädten haben etwas mehr Freiheit als jene in kleineren Städten und auf dem Land. Dort ist es für christliche Aktivitäten schwieriger, unbemerkt zu bleiben. Die Leute können sich nur in kleinen Gruppen treffen – manchmal nur zwei oder drei Personen, manchmal 10 oder 20, aber nie regelmäßig am selben Wochentag und nie mehrfach im gleichen Haus.
Unsere Partner berichten von Verhaftungen und Verhören, von Razzien in den Kirchen und von großen öffentlichen Feuern, in denen beschlagnahmte Bibeln, Gesangbücher und christliche Literatur ein Raub der Flammen werden. Die Gesetzgebung macht mächtig Druck auf christliche Aktivitäten. Neue Religionsgesetze sind nicht nur für ausländische Missionare gefährlich, sondern auch für Chinesinnen und Chinesen, die mit Ausländern zu tun haben. Obwohl wir uns also freuen, dass Reisen nach China wieder möglich sind, müssen wir vorsichtig sein, um niemanden durch unseren Besuch in Gefahr zu bringen.
Eine Aufgabe für die Jugend
China hat in den vergangenen Monaten wirtschaftlich stark gelitten. Deutliches Anzeichen ist die in die Höhe schießende Arbeitslosigkeit junger Menschen. Unter ihnen macht sich Hoffnungslosigkeit breit. Die Jugend ist eine wichtige Zielgruppe unserer Arbeit. Einer unserer Partner erzählt, dass seine Eltern außerhalb Chinas predigen wollten, aber von den Kommunisten aufgehalten wurden. Sie fühlten sich als Versager. Später erkannten sie, dass Gott sie vorerst in China einsetzen wollte, namentlich unter Studierenden. 50 junge Menschen konnte die Familie bislang zum Glauben an Jesus führen und in Jüngerschaft schulen.
Unsere Partner haben schon zahlreiche chinesische Missionare nach Jordanien, Usbekistan, Ägypten, Syrien, Irak und in weitere Länder ausgesandt. Ein Leiter zieht Bilanz über die Aufgaben der Altersgruppen innerhalb der Kirche Chinas: »Die ältere Generation hat durch ihre Treue und ihr Leiden den Weg bereitet. Die Christen mittleren Alters sind nun die tragenden Säulen der Kirche. So bilden sie die junge Generation aus und bereiten sie darauf vor, das Evangelium inner- und außerhalb des Landes weiterzutragen.«
Mehr Christen als Kommunisten
Trotz aller Repressalien wächst die chinesische Kirche unaufhaltsam. Inzwischen übersteigt die Anzahl Christen bei weitem die Zahl der Mitglieder der Kommunistischen Partei. In Anbetracht dieses Wachstums und der Verfolgung überrascht es nicht, dass eine immense Nachfrage nach Bibeln herrscht. Viele Bibeln gehen bei Razzien verloren oder wurden verbrannt. Aufgrund der strengen Zensur im Internet können Christen nicht mehr auf digitale Bibeln zurückgreifen. Das wichtigste Anliegen der chinesischen Gemeindeleiter ist deshalb die Beschaffung von Bibeln. AVC hat im vergangenen Jahr den Druck von 90 000 Exemplaren finanziert. Diese wurden über verschiedene Netzwerke dort verteilt, wo der Bedarf am größten ist.
Feuer nicht erloschen
»Der Atheismus ist seit über 70 Jahren das aufgezwungene Glaubenssystem in China, und der Feind Gottes möchte diese Macht gerne behalten«, sagen unsere Partner. »Wir aber sind dankbar, dass wir allen Schwierigkeiten zum Trotz in den vergangenen Jahren sehr viel erreichen konnten. Unsere Mitarbeiter sind leidenschaftlich, selbst wenn der Stress, dem sie ausgesetzt sind, Anlass zur Sorge gibt. Wir danken Gott für all jene, die wir mit dem Evangelium erreichen, in Jüngerschaft schulen, ausbilden und aussenden durften. Und dafür, dass er unser Feuer am Leben erhält.«